Pro-Choice: Demos gegen den sog. 1000 Kreuze-Marsch radikaler Abtreibungsgegner*innen

Plakat von einer Münchner Kundgebung gegen christliche Abtreibungsgegner*innen am 20. März 2021
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Der sog. 1000-Kreuze-Marsch radikaler Abtreibungsgegner*innen und christlicher Fundamentalist*innen findet dieses Jahr am 3. Oktober um 13:30 Uhr statt. Die Auftaktkundgebung ist am Odeonsplatz, die Demonstration führt durch die Innenstadt zur Luitpoldbrücke und wieder zurück.  
Am 3. Oktober geht aber auch die antisexistische Aktion München für reproduktive, sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung und gegen den 1000 Kreuze-Marsch auf die Straße. Los geht es mit einer Kundgebung um 14 Uhr an der Luitpoldbrücke.
Ab 15 Uhr demonstriert dann das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung München gegen die christlichen Fundamentalist*innen am Max-Joseph-Platz.
Und wie die Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München (firm) den 1000-Kreuze-Marsch politisch bewertet, findet Ihr ganz unten.

 
Hier zunächst ein Auszug aus dem Aufruf der antisexistischen Aktion:
 
"Am 3. Oktober 2022 ziehen erneut christliche Fundamentalist*innen mit weißen Holzkreuzen durch München. Der „1000-Kreuze-Marsch“ soll den in Deutschland angeblich eintausend Abgetriebenen jeden Tag „gedenken“. Die Positionen sind altbekannt: Frauen sollen nicht abtreiben dürfen, queere Lebensweisen werden delegitimiert, es wird verschwörungsideologisch von der Homo-, Trans- oder Abtreibungslobby fabuliert und gegen queere Menschen agitiert.
 
Mit dem Kippen des Roe-vs.-Wade-Urteils in den USA wurde deutlich sichtbar, welche Folgen eine erfolgreiche fundamentalistische Bewegung haben kann: Schwangerschaftsabbrüche sind in vielen Staaten komplett verboten und ungewollt Schwangere müssen in andere Staaten reisen, um eine Abtreibung vornehmen zu können, weil immer mehr Kliniken geschlossen werden. Die Folgen sind nicht weniger Abbrüche, sondern mehr Tote! Das wollen wir hier nicht. Das wollen wir nirgendwo.
 
Deswegen gehen wir am 3. Oktober 2022 gegen die selbsternannten „Lebensschützer*innen“ von „EuroProLife“ auf die Straße und stellen uns ihrer Hetze entgegen. (...)"
 
Und hier der Demoaufruf des Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung München:
 
"Wir feiern unsere sexuelle Selbstbestimmung und demonstrieren für das uneingeschränkte Recht auf den eigenen Körper! Laut, bunt und queer zeigen wir, dass München keinen Platz hat für Fundamentalist:innen! Wir rufen auch dieses Jahr zum Gegenprotest zum sogenannten "Marsch für das Leben" in der Münchner Innenstadt auf. Zusammen mit vielen Redner*innen aus dem Bündnis, der Politik und DJane Bi Män vom WUT Kollektiv wird für das uneingeschränkte Selbstbestimmungsrecht von Frauen* über ihren Körper, ihre (sexuelle) Identität, ihre Lust und gesellschaftliche Vielfalt demonstriert.

Unser 2021 gegründetes Bündnis steht für eine Welt, in der Menschen diskriminierungsfrei über ihre Familienplanung und ihr Sexualleben entscheiden können. Das Recht auf legale und sichere Schwangerschaftsabbrüche war und ist dabei noch immer essenzieller Bestandteil von sexueller Selbstbestimmung. 
 
Wir fordern:

• uneingeschränkten Zugang zu frei verfügbaren Informationen zu, sowie der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen und somit die Streichung von §218 aus dem Strafgesetzbuch
 
• soziale und ökonomische staatliche Unterstützung und die notwendige Infrastruktur für alle, die sich für ein Kind entscheiden, damit sie ihre eigene Lebensplanung aufrechterhalten können
 
• eine Sexualaufklärung, die es allen ermöglicht, sich in sexueller Selbstbestimmtheit zu entwickeln
 
Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung München ist ein partei- und initiativenübergreifender Zusammenschluss, der sich für reproduktive und sexuelle Selbstbestimmung einsetzt und Widerstand gegen konservative, antifeministische und queerfeindliche Ideologien leistet. Aktuell unterstützen unser Bündnis folgende Gruppen:  Kritische Medizin München, Slutwalk München, DGB Jugend München, Die PARTEI München, Die LINKE München, Bündnis Weg mit §218, Love Me Gender, Die Grünen München, Grüne Jugend München, WUT Kollektiv, Münchner Fachforum für Mädchen*arbeit, pia – pro familia in action, Frauenstreik München, Consent Calling."
 
Die Fachinformationsstelle Rechtsextremismus München (firm) warnt anlässlich des Münchner „1000-Kreuze-Marsches“ Politik und Zivilgesellschaft davor, die Aktivitäten von selbsternannten „Lebensschützer*innen“ zu unterschätzen. Hier ihre Stellungnahme:

 
"Die firm dokumentiert Aktivitäten dieser Bewegung, als Teil einer antifeministischen Formierung, die emanzipatorische Anliegen wie sexuelle und reproduktive Rechte ablehnt und sie aktiv bekämpft. „Antifeminismus, Sexismus und Misogynie sind Kernelemente extrem rechter Ideologien und bedeutendes Agitationsfeld diverser antimoderner und autoritärer Akteur*innen“, sagt eine Sprecherin der firm. „Die drei Phänomenbereiche bilden einen gemeinsamen Nenner für die extreme Rechte, christliche Fundamentalist*innen bis hin zu Konservativen und Teilen der sogenannten Mitte.“ In ihren Mobilisierungen gegen Schwangerschaftsabbrüche zeigt sich diese Ideologie ganz konkret.
 
Signalwirkung aus den USA
 
Ende Juni 2022 kippte der Supreme Court, der oberste Gerichtshof in den USA, nach knapp 50 Jahren das Grundsatzurteil „Roe v. Wade“. Seither gibt es in den
USA kein verfassungsmäßig geschütztes Recht auf Schwangerschaftsabbrüche mehr. Für die hiesige selbsternannte „Lebensschutz“-Bewegung hatte die Entscheidung Signalwirkung und wurde enthusiastisch aufgenommen. Die am gleichen Tag beschlossene Streichung des Paragrafen 219a StGB war hingegen ein deutlicher Rückschlag für die Bewegung.
 
Der Resonanzraum wird größer „Auch wenn es bei der diesjährigen Demonstration vermutlich eher 100 statt der angekündigten 1000 Kreuze sein werden, lässt uns die zunehmende Polarisierung und Radikalisierung der Anti-Choice-Bewegung aufhorchen“, so die Sprecherin der firm weiter. „Außerdem ist der Resonanzraum, in dem die
Ideologie von Abtreibungsgegner*innen stattfindet, größer geworden.“ Gruppierungen wie der Münchner Verein „EuroProLife“, die den Marsch seit vielen Jahren organisieren, sind Teil einer international vernetzten Bewegung, die Schwangerschaftsabbrüche verunmöglichen oder ganz verbieten möchte.
Bei Demonstrationen wie dem „1000-Kreuze-Marsch“ wird die Ideologie dieser Bewegung sichtbar, wie man im vergangenen Jahr feststellen konnte."